"Orfeo": Operngastspiel mit VR-Brillen

"Orfeo": Operngastspiel mit VR-Brillen

von Isabella Kreim

Kann man mit Virtual Reality-Bildwelten die oft als antiquiert angesehene Kunstform Oper neu beleben?
Das Staatstheater Augsburg hat mit seiner Produktion von Christoph Willibald Glucks Oper „Orfeo ed Euridice“ dabei eine Vorreiterrolle übernommen – mit enormem technischen und finanziellen Aufwand.

Der verblüffendste Effekt war eigentlich bereits der Technik-Test für die Zuschauer im Umgang mit den Virtuel-Reality-Brillen, noch vor dem ersten Ton der Ouvertüre von Glucks Orpheus und Euridice.
Man blickt nach rechts, da sitzt leibhaftig eine grell pinkfarben gekleidete junge Frau auf dem Platz daneben und lächelt einen an. Blick nach links. Die Schöne kommt auf einen zu und setzt sich zum Anfassen nah. So unglaublich realistisch, dass der reale Sitznachbar wirklich in eine andere Welt weggebeamt scheint.
Und so liegt der Anknüpfungspunkt an die griechische Vorstellung von der Unterwelt, dem Hades, in dem die Toten weiterleben und sich gar im Elysium lustvoll delektieren, nahe.

Ist Eurydice also gar nicht tot? Hat sie sich nur mit einer VR-Brille in eine andere Wirklichkeit versetzt? Und wie stirbt eine Tote? Euridice, die lieber im Totenreich bleiben möchte, nachdem Orpheus, der sie zurückholen will, sie dem Gebot der Götter zufolge nicht ansehen geschweige denn umarmen darf, setzt sich einfach wieder ihre VR-Brille auf und ist damit für Orpheus tot, weg aus seiner Wirklichkeit.
Eine moderne Interpretation des griechischen Totenreich-Mythos. Andere Wirklichkeiten.

Und nicht nur Eurydice, auch die Zuschauer dürfen eine solche VR-Brille aufsetzen und damit ebenfalls den Hades und 13 Minuten lang das Elysium schauen. Und diese virtuelle Reise macht auch Spaß.

Aber von einem Berührtwerden durch die Trauer des Orpheus, seinem Mut, ins Totenreich zu gehen um siene Geliebte zurückzuholen und der Überzeugungskraft seiner Musik, mit der er selbst die Wächter des Hades rührt und mit seiner Liebe beeindruckt, ist in dieser Inszenierung von André Bücker, dem Augsburger Intendanten nicht allzuviel zu spüren.

Schauplatz auf der realen Bühne ist ein Kunst-Museum mit Caravaggio-Gemälden mit biblischen und mytholigischen Motiven an den Wänden. War Eurydike die Museums-Direktorin? Oder ist dieser Orpheus, der da während seiner Trauer-Klage auf einer der Sitzgelegenheiten im Ausstellungsraum mit Kopfhörern im Katalog blättert der Museumsleiter? Der ist doch Musiker.
Diese Museumswelt mit dem Chor aus exaltierten Besuchern, aufgeregtem Aufsichts- und Sicherheitspersonal, das da ziemlich albern, wenn auch actionreich agiert, mit einem Jesus-Verschnitt, mit Nonnen, mit Doppelgängern prominenter Zeitgenossen wie dem Regisseur Jonathan Meese oder der Performerin Marina Abramovich ist ein ziemlich läppischer Rahmen für Orpheus Trauer um den Verlust seiner geliebten Euridice.
Alles, was auf der Bühne real, konventionell passiert, ist einfach nicht stark, sinnfällig oder witzig genug, um den virtuellen Bildwelten die Kraft der Live-AKtion lebendiger Menschen entgegen zu setzen.

 Foto: Staatstheater Augsburg 

 

Kulturkanal am 25.05.2023
    
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