Junges Theater: "Denn wir wissen, was ihr braucht"

Junges Theater: "Denn wir wissen, was ihr braucht"

von Isabella Kreim

Pressekonferenzen von wirklichen Politikern sind nur halb so unterhaltsam wie hier auf der Bühne des Jungen Theaters im Kleinen Haus des Stadttheaters Ingolstadt.
 Paula Gendrisch präsentiert als Ministerin für „Bildung, Business und besondere Zeiten“ mit staatsmännischer Überheblichkeit ihre BIldungsreform „Können macht stark“. Die Coronabedingte Situation des digitalen Lernens soll nicht nur zum Dauerzustand, sondern konsequent ausgebaut werden und die bisherige Form von Schule schließlich vollständig überflüssig machen. Und zwischendurch buhlt die Ministerin mit pseudo-einfühlsamer Säuselstimme in fingierter Privatheit um das Einverständnis der Eltern-Klientel.
Steven Cloos als ihr Referent für Digitales hat bereits in Vorbereitung des Auftritts der Ministerin in einem herrlichen Slapstick die Rednerpulte zurecht gerückt und das verschüttete Wasser auf dem Boden mit mehreren Mund-Nase-Schutz-Masken aufgewischt. Ein weiteres lustiges Highlight: Die Ministerin turnt mit perfekt gestreckten Beinen den neuen digitalen Sportunterricht vor, und ihr Referent bemüht sich mit erbarmungswürdigem Misserfolg, ihre Übungen nachzumachen.

Diese vergnüglich parodistischen schauspielerischen Glanzlichter sind die Würze im ansonsten relativ simpel gestrickten Stück. Erzählt wird in dem von Regisseurin Ulrike Günther entwickelten Rechercheprojekt „Denn wir wissen, was ihr braucht“, wie Bildungspolitik über die Köpfe der Betroffenen, der Jugendlichen, hinweg gemacht wird. In diesem Theaterprojekt aber konnten sie sich einbringen, kommen die jungen Menschen zu Wort. 10 Ingolstädter Jugendliche sind immer wieder in von Elizabeth Reyna aufgenommen Videos eingeblendet. Zunächst erzählen sie im visuellen Format einer Videokonferenz von ihrem Tagesablauf während des Lockdowns. ziemlich witzig z.B. ihre unterschiedlichen Aufstehzeiten. Sie berichten von mal gut mal gar nicht funktionierendem Homeschooling, nervigen Eltern und Geschwistern, und dass sie den direkten Kontakt zu Freunden oder auch den Großeltern vermissen.

Die Jugendlichen sind nicht gegen digitales Lernen, aber ganz möchten sie auf den direkten, analogen Kontakt zu Lehrern und Mitschülern keinesfalls verzichten. Die Bildungsministerin aber treibt das Homeschooling auf die Spitze. Präsenzunterricht wird vollständig abgeschafft, auch Ferien gibt es keine mehr. Die Kinder können ja auch beim Ostseeurlaub mit ihren Digitalgeräten weiter lernen. Und für dieses deep learning für die globalisierte Leistungsgesellschaft braucht es auch keine Lehrkräfte mehr. Ein aus dem Aussehen von Lieblingslehrerinnen generierter Avatar übernimmt.

Dank der beiden wunderbaren Darsteller Paula Gendrisch und Steven Cloos und einer abwechslungsreichen Einbindung der Videostatements der in einem Online-Spielclub gecoachten Ingolstädter Jugendlichen ist diese Debatte über Schulunterricht in Zeiten von Corona dann doch eine unterhaltsame Theaterstunde geworden.

Foto Ludwig Olah

Kulturkanal am 05.10.2020
    
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