"Der Besuch der alten Dame" als Freilicht-Volkstheater

"Der Besuch der alten Dame" als Freilicht-Volkstheater

von Isabella Kreim

„Spiel mir das Lied vom Tod“: Die Band schafft Western-High-Noon-Stimmung. Das Setting von Ausstatterin Kerstin Jacobssen mit Biergarten, hölzernem Klohäuschen und der Kostümierung der verarmten Bevölkerung mit Lederhosen, Trachtenjanker und Kittelschürzen etabliert Volkstheateratmosphäre im Turm Baur.

„Der Besuch der alten Dame“, Friedrich Dürrenmatts tragikomische Parabel vom mörderischen Kapitalismus als grimmiger Schwank? Warum eigentlich nicht.
Denn die Botschaft, die hier zum 200. Geburtstag von Karl Marx auf den Spielplan gesetzt wurde, ist drastisch und einfach, das Ergebnis vorhersehbar. Ja, die Bürger von Güllen sind bereit, für ihren Wirtschaftsaufschwung und Wohlstand humane Überzeugungen über Bord zu werfen und sogar einen kollektiven Mord für das Gemeinwohl zu begehen. Moralisch verbrämt, als Wiedergutmachung für begangenes Unrecht.

Ansgar Haag, Intendant des Staatstheaters Meiningen, hat  den Schulstoff-Klassiker „Der Besuch der alten Dame“ in der Freilichtbühne im Turm Baur inszeniert. Ein wenig behäbig. Statt schriller Kapitalismus-Satire steht eine enttäuschte Jugendliebe im Zentrum.
Ingrid Cannonier als Claire Zachanassian ist kein Monster, trotz ihrer vielen Prothesen kein entmenschlichter Racheengel. Ihre knallharte Bedingung, eine Milliarde für Ills Leiche, speist sich auch aus sentimentalen Erinnerungen an ihre erste Liebe. Wenn sich Sascha Römisch als Ill in ihren Schoss kuschelt und sanft und fröhlich die Vertrautheit gemeinsamer Jugenderlebnisse evoziert, glaubt man fast, es könnte vielleicht doch noch alles gut ausgehen.

Foto: Jochen Klenk

Kulturkanal am 25.06.2018
    
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