Stadttheater: "Welt am Draht", "Nachrichten an das All"

von Isabella Kreim

Lebe ich in der wirklichen Welt oder bin ich nur eine von fortgeschritteneren Technikfreaks programmierte Dateneinheit? Ist dann auch die Wirklichkeit um mich herum nur eine Computersimulation?
Diese Frage „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“ ist philosophisch-existenzialistisch immer irgendwie interessant. Man kann sie aber auch für eine ziemlich an den Haaren herbeigezogene, verschwurbelten Science-Fiction-Spekulation halten. Denn ob künstliche Intelligenzen, also selbst lernende Roboter, einmal darunter leiden werden, kein echter Mensch zu sein, scheint mir keine wirklich drängende Zukunftsfrage zu sein.
Es sei denn, es gelänge, ein menschliches Gehirn mit allen Funktionen, Synapsen, Erinnerungen, Empfindungen, also das Bewusstsein eines Menschen in seiner ganzen Komplexität als Dateninformation zu scannen und auf irgendeine andere „Festplatte“ zu übertragen.
Die kann dann ja wieder genauso heissen. Fred Stiller z.B., die Hauptfigur in „Welt am Draht“.
Der zweiteilige Science-Fiction-Fernsehfilm „Welt am Draht“ aus dem Jahr 1973 von Rainer Werner Fassbinder, der auf dem 10 Jahre älteren Roman „Simulacron 3“ von Daniel F. Galouye beruht und Vorbild für ähnliche Konstellation wie in den „Matrix“-Filmen wurde, liefert dennoch, so wie es Donald Berkenhoff auf die Große Bühne des Stadttheaters Ingolstadt gebracht hat, ein interessantes und vor allem auch spannendes Gedankenspiel.
Viel Applaus für diese spannend inszenierte und glänzend gespielte Reise in virtuelle Wirklichkeiten. Denn die sehr fiktionale Fragestellung wurde in eine großartig simulierte Theaterwirklichkeit übersetzt und weckt deswegen Interesse an der menschlichen Dimension dieser Avatare.

Zum Ende ist es ein vielstimmiger Sound aus Geschichten, überlagert von der Aufzählung der Zutaten einer Gemüsepfanne oder einer Kunstsprache, mit nicht mehr verständlichem Inhalt - eine Kakofonie der Welt.
Aber lässt sich mit einer noch so großen Vervielfachung der Stimmen die Vielfalt unserer Welt wiedergeben? Mit seinem Theatertext „Einige Nachrichten an das All“ wurde Wolfram Lotz 2011 zum Dramataiker des Jahres. Und die Frankfurter Rundschau jubelte: "Das größenwahnsinnigste, klügste, unfasslichste und unverschämteste Stück der Gegenwartsdramatik."
Ab Donnerstag ist es im Kleinen Haus des Stadttheaters Ingolstadt zu sehen.  Maaike van Langen inszeniert.

 

Kulturkanal am 03.02.2020
    
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