Chr. Schulteisz "Wense" u. "Milchzähne" v. H. Bukowowski

Chr. Schulteisz "Wense" u. "Milchzähne" v. H. Bukowowski

von Isabella Kreim

Ingolstadts Marieluise-Fleißer-Preisträgerin Iris Wolff hat einen Teil der Ingolstädter Literaturtage kuratiert und die Literaturinteressierten mit ihrer Auswahl beglückt. Besonders schön: Dass sie auch zwei Roman-Debütanten nach Ingolstadt eingeladen hat.

Christian Schulteisz Roman „Wense“: Wense? Ist das ein Kunstwort? Nein, es ist der Nachname eines Mannes, der tatsächlich gelebt hat. Hans Jürgen von der Wense, 1894 – 1966.
Zwölfton-Komponist und Autor, sowie Übersetzer und Weiterdichter aus dem Chinesischen oder Arabischen,  Mineraloge, Geologe und Kartograph, Astronom und Astrologe, manischer Briefeschreiber und unsteter Wanderer durch Deutschland mit ständig wechselnden Wohnsitzen - ein Universalgelehrter oder einer Besserwisser und geistiger Hochstapler, der mit Begeisterung in allen Bereichen dilettiert hat und so auch in keinem Bereich äußeren Erfolg haben konnte.
Jedenfalls eine selten kuriose Persönlichkeit, die Christian Schulteisz ins Zentrum seines ersten Romans gestellt hat. Schulteisz hat eine von Wenses Wanderungs- Beschreibungen in einer Bibliothek entdeckt - und hatte große Lust dessen Texte und Denkweise mimikrihaft weiterzuschreiben und schließlich neu zu erfinden. Zunächst ein klein bisschen genauso wenig ziel- und zweckgerichtet aber mit Begeisterung, wie sein Protagonist Wense geschrieben, gedichtet, komponiert, kartographiert oder philosophiert hat.

 Die 28jährige Helene Bukowski hat eine postapokalyptische hermetische Welt der Zukunft entworfen, in der das Überleben schwer ist: "Milchzähne"
Es geht um eine Mutter-Tochter-Beziehung. Sie sind von irgendwoher geflohen in eine Gegend zwischen Meer und Fluss. Wo es früher noch viel Nebel und Regen gab, herrscht nun eine beständige unerträgliche Hitze, wenige Tiere haben überlebt, die Vegetation ist vertrocknet. 
Die Tochter nimmt eines Tages ein im Wald gefundenes Findelkind mit nach Hause und bringt damit auch sich selbst in Gefahr. Denn Fremde sind in diesem Überlebenskampf der wenigen Menschen, die hier noch wohnen und sich vollständig abgeschottet haben, unerwünscht.
Vieles bleibt offen in diesem Roman. Die Ursache für die vorausgegangene Katastrophe etwa. War es ein Reaktorunfall? Und auch ob und wo es einen neuen Migrationsort gibt.
Der nüchterne Ton, mit dem Helene Bukowski eine dystopische Situation der Zukunft schildert, in der Gegenwartsproblem wie Klimawandel und Fremdenfeindlichkeit wie unterschwellige Märchenmotive anklingen, lässt aufhorchen.

 

Kulturkanal am 14.06.2021
    
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