Klassisch schlicht: Vergangenheitsbewältigung "Antigone"

Klassisch schlicht: Vergangenheitsbewältigung "Antigone"

von Isabella Kreim

Filmbilder aus den letzten Weltkriegen auf der Rückwand einer weitgehend leeren Bühne. Die Vorgeschichte des Bruderkriegs vor Theben wiederholt sich in der Menschheitsgeschichte immer wieder. Ingrid Cannonier, die den Chor und gleichzeitig eine zeitübergreifende Figur personifizieren wird, erwacht zitternd aus den Alpträumen ewiger Kriege und begrüßt den Sonnentag einer Nachkriegszeit.

Diesen Bogen zu den Kriegen unserer jüngeren Vergangenheit, einige Einblendungen von Portraits mutiger Frauen, mehr Aktualitätsbezüge braucht Kathrin Mädlers Inszenierung der 2500 Jahre alten „Antigone“ des Sophokles im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt nicht.

Es ist eine klassisch schlichte Aufführung, die der gebundenen Sprache eine klare Argumentationskultur abgewinnt und mit sparsam eingesetzten Visualisierungen durchaus emotionale Verdichtungen erzeugt. Kathrin Mädler schielt nicht nach Neudeutungsehrgeiz und schrillen Bildern. Ihr Theater überwältigt nicht, es lädt ein. Mitzudenken, und ja auch mitzufühlen, ist ihr Teil.

Und weil sie ein krasses Gut-Böse-Schema vermeidet, die menschliche Antigone gegen Tyrannenwillkür und Staatsräson - wird der Blick frei: Es geht um Erinnerungskultur, um die Deutungshoheit in der Nachkriegsordnung unter einer neuen Regierung, wie wir sie auch heute über Mahn- und Gedenkstätten führen: Kann man Tätern und Opfern am selben Ort gedenken? Gebührt auch den Staatsfeinden oder Kriegsverbrechern ein ehrenvolles Grab, wie es in diesem Fall die Religion gebietet?

Wie wir die Schrecken der Vergangenheit bewältigen, welche neuen Wertmaßstäbe wir einführen, entscheidet über den Zusammenhalt oder die innere Spaltung eines Gemeinwesens.

Foto: Jochen Klenk

Kulturkanal am 25.02.2019
    
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