Sexualisierte Szenen einer Ehe als Parforceritt

Sexualisierte Szenen einer Ehe als Parforceritt

von Isabella Kreim

Den Wettbewerb um die schweisstreibendste Produktion des Stadttheaters Ingolstadt in dieser Spielzeit, im letzten Jahrzehnt, vielleicht sogar überhaupt in der Ingolstädter Theatergeschichte haben die fünf Schauspieler gewonnen, die letzten Freitag im Studio im Herzogskasten die Komödie „Lauf doch nicht immer splitternackt herum“ von Georges Feydeau gespielt haben.
Vor allem Enrico Spohn und Teresa Trauth, aber auch mit kürzeren Etappen Jan Beller, Olaf Danner und Matthias Zajgier agieren 70 Minuten Nonstop wie überdrehte Aufziehpuppen mit ADHS-Syndrom. Nur keine Sekunde stillhalten oder „normal“ dastehen.

Der Regie-Berserker, der diesen Non-Stop-Marathon den Schauspielern abverlangt hat, Miguel Abrantes Ostrowski ist selbst Schauspieler und hat sich wohl immer unterfordert gefühlt. Offenbar nicht im Ehrgeiz, wirklich gute Pointen zu setzen oder gar die subtile Komik in fatalen Situationen zu entdecken.

Und so glotzt man fasziniert und auch bewundernd auf dieses Räderwerk an choreographierter Spilastik - oder darauf, wie die weiße Gesichtsschminke bereits zur Halbzeit vollständig zerlaufen ist. Und irgendwann wird dieser ständige Überdruck auch für die Zuschauer eher ermüdend als lustig.

Zugegeben: Das ist keine Farce von Georges Feydeau wie „Floh im Ohr“, die durch einen überraschenden Handlungsaufbau amüsiert. Die Geschichte ist schnell erzählt. Ein frisch gebackener Abgeordneter muss auf Sitte und Moral achten, will er seine Karriere-Ambitionen nicht gefährden. Doch seine Frau Clarissa macht es ihm schwer. Auch wenn hoher Besuch kommt, etwa der Bürgermeister der gegnerischen Partei oder ein Journalist, denkt sie gar nicht daran, sich weniger frivol aufzuführen. Schließlich muss auch noch ein Wespenstich an ihrem Allerwertesten versorgt werden. Der vermeintliche Sanitäter ist ein Sensationsjournalist. Also worst case!

Das Skandalöse und Frivole der vorvorigen Jahrhundertwende ringt uns wohl heute tatsächlich nur ein müdes Lächeln ab. Verständlich also, dass bei dieser dünnen Einakter-Vorlage an einigen Schrauben gedreht werden musste.
Also wurde zunächst fast jeder Satz sexualisiert. Die Figuren verhaspeln sich in ständigen obszönen Anspielungen, drehen verbale Nonsense-Volten. Und das ist durchaus komisch, könnte man diesem auch verbalen Parforceritt aus Versprechern und Wortspielen mit Theater-, Film-, Songtiteln oder Redewendungen genüsslich auskosten.
Nichts gönnt man dem Ensemble hinter her mehr als eine Atempause unter der Dusche. Respekt für diese Leistung! Aber von einer Übertragung der Adrenalin-Ausschüttung oder gar von Glücks-Hormonen vom Bühnenpodest in den Zuschauerraum ist wenig angekommen. Man geht doch eher erschöpft als high heraus, oder?

Foto: Ludwig Olah

Kulturkanal am 10.12.2018
    
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