von Isabella Kreim
Natürlich spielt Sibylle Bergs erstes Kinderstück „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ in einem tristen, „hundekackefarbenen“ Sozialbau-Wohnblock.
Die erste Überraschung ist, welche Gegenwelt Regisseur Donald Berkenhoff und Ausstatterin Manuela Weilguni auf die Bühne des Jungen Theaters gebracht haben. Ein gemalter Hintergrundsprospekt zeigt einen wildromantischen Gebirgswald, auf der Bühne sind Felsbrocken, ein Zelt, ein Lagerfeuer. Ein herrlich altmodischer Ausflugstraum mit Transistorradio und Akustikgitarre.
Hier beginnen vier junge Menschen, Paula Gendrisch, Michael Amelung, Benjamin Kneser und Paul Schaeffer Sibylle Bergs Mutmach-Geschichte zu erzählen und zu spielen von Lisa und dem Außerirdischen Walter, der Lisas unglückliches Leben auf wundersame Weise wieder ins Lot bringt.
Und zwar in wechselnden Rollen. Wer den gelben Tennisball auffängt, muss weiter erzählen, wer die komische Brille aufsetzt, ist Lisa, wer einen Drahtkleiderbügel um den Kopf setzt und mit Computerstimme spricht, ist Walter, der Alien.
Die eigentliche Geschichte, die dieses Kinderstück-Aufführung so reizvoll macht, aber hat Donald Berkenhoff erfunden, nämlich, dass Geschichtenerzählen auch ganz anders funktionieren kann als in üblichen Kindermedien. Eher so, wie im wirklichen Leben. Aus mehreren Perspektiven. Und wie in einem spontan improvisierten Theater-Spiel.
Das Lagerfeuer-Setting, die Rollenwechsel, das Improvisieren mit Requisiten, die kleinen Streitigkeiten, wer welche Rolle wie spielen soll, katapultiert Sibyllle Bergs Geschichte auf eine wunderbar spielerische Ebene, verfremdet das soziale Umfeld, setzt komödiantische Akzente, sodass in den Vordergrund die Botschaft tritt, dass sich mit Phantasie selbst ausweglose Situationen und ein trister Alltag bewältigen lassen. Ganz im Sinne des Spielzeitmottos: „Phantasie an die Macht!“
Und natürlich können die vier Darsteller dabei wunderbar ihre Spielfreude zeigen. Großartig!
Foto: Jochen Klenk